Als Bestatterin bin ich tagtäglich mit dem Tod konfrontiert und meiner eigenen Endlichkeit. Nun würde manch einer den Kopf leicht zur Seite neigen, etwas bedröppelt und betroffen schauen und fragen „Aber macht das nicht sehr traurig?“ Und jedes Mal kann ich von Herzen sagen: „Nein. Das nicht.“ Es gibt andere Dinge, die mich im Leben traurig machen. Der Tod ist letztendlich auch die einzige Sicherheit, die wir im Leben haben. Womöglich ist der Tod wohl auch die einzige Gerechtigkeit, die wir haben, betrifft er uns doch alle – egal welchen Status oder Wagen wir fahren. Dass er sich trotzdem oft ungerecht anfühlt hat auch seine Berechtigung.
Traurig machen mich andere Dinge, z.B. wie mit der Natur und Umwelt umgegangen wird, wie Menschen einander sich das Leben oft schwer machen, wo unnötig Leid und Gewalt geschaffen wird, und vieles mehr. Das macht mich oft traurig. Aber der Tod? Der ist mittlerweile wie ein eigenbrötlerischer Freund geworden, der mit seiner Gelassenheit und Zuverlässigkeit, bei seinem Erscheinen das Leben auf das Wesentliche reduziert und einem helfen vermag, das Leben wertzuschätzen.
Selbstverständlich birgt der Verlust eines geliebten Menschen einen Ozean voll Trauer. Wie es so passend heißt: „Trauer ist das Risiko, das man eingeht, wenn man liebt. „(Leider ist mir die Autorin nicht bekannt) Doch das ist ein anderes Thema, welchem ich mich ein anderes mal ausführlicher widmen werde.
Worüber ich jetzt schreibe, betrifft die Auseinandersetzung mit unserer eigenen Endlichkeit. Warum der Tod das Leben für uns schöner machen kann bzw. warum es Sinn macht, den Tod ins eigene Leben und Bewusstsein zu lassen:
Das Leben wird bedeutend wertvoller.
Die meisten kennen aus den Relaxräumen ihrer Fitnessstudios oder den Kalenderblättern im Warteraum Sätze wie: Carpe Diem. Oder Pflanze heute noch ein Apfelbäumchen. Ich bezweifel, dass jemand von uns solchen Sätzen noch Beachtung schenkt, noch den Platz am Berlin Mitte-Balkon für einen Apfelbaum hat, trotz Urbangardening Affinität. Und dann, ist ja da auch noch das Leben und all sein Alltag mit „Muss noch schnell“ und “ Hab noch nicht“ Und “ Hätte der Tag doch nur mehr Stunden“.
Einatmen – Ausatmen.
Doch wie schnulzig man auch dererlei genannten Zitate finden mag, ein Fünkchen Wahrheit leuchtet da schon.
Aus Erfahrung weiß ich, dass der Tod oft sehr unerwartet kommt. Das soll jetzt keine Angst machen, sondern bewusst machen, dass der Tod kein Bus ist und wir eben nicht mal schnell auf den Abfahrtsplan schauen können, wann er kommt. Wir hoffen aber sehr, dass er sich verspätet.
Wenn wir uns bewusst machen, dass es jederzeit soweit sein könnte, so schaffen wir auch die Möglichkeit, uns von manchen Dinge weniger tangieren zu lassen. Am Ende des Lebens ist oft vieles unwichtig und manches gar von Bedeutungslosigkeit, was uns heute schlaflose Nächte beschert. Der Streit mit deinem Chef? Schnee von gestern. Der Nachbar, der sich so unmöglich verhält – viel zu schade um die Zeit, sich darüber aufzuregen. Dein Ex und seine Neue? Wie hieß er überhaupt nochmal? Vieles rückt in den Hintergrund des Bedeutungshorizonts und verliert an Kraft, wenn uns bewusst wird, dass unsere Zeit definitiv begrenzt ist. Maximal 120 Jahre oder so. Maximal. Genug Grund um die verbliebene Zeit maximal zu nutzen. Aber nein, nicht in typischer Manier: höher – schneller – weiter. Das Wort nutzen ist mit dem Wort genießen verwandt. Und ich denke, nein, ich weiß, dass der Tod uns helfen kann das Leben zu nutzen bzw. zu genießen. Wenn wir jeden Tag so leben, als wäre der morgige selbstverständlich, nehmen wir der Lebenszeit ihre Bedeutung und füllen sie bedachtlos. Vergegenwärtigen wir uns jedoch, dass wir und unsere Zeit endlich ist, und das ist absolut sicher, so schenken wir uns einen Perspektivenwechsel.
Gedankenübung: Stell Dir vor, Du weißt heute, dass morgen der Tag deines Todes sein wird. Was fühlst Du? Angst? Stress? Ruhe? Wie würdest Du Dich heute an Deinem letzten Tag gern fühlen wollen? Und nein, man muss sich nicht jeden Tag wundervoll fühlen. Schmerz, Leid und Trauer sind wichtige Teile unserer Realität und wollen auch gefühlt werden. Doch manches, ja so einiges, verliert vielleicht tatsächlich beim Gedanken an den Tod seine Schwere. Lieber nochmal mit der Freundin die Sonne genießen und über was Schönes reden, als über die Kollegin abzulästern. Lieber spontan nach der Arbeit zum See fahren, anstatt durch das Handy zu scrollen. Papa anrufen und mal hören wie es ihm geht. Mit Freunden Essen gehen, anstatt den Lieferservice von der Couch aus zu bestellen. Alles bewusst wahrnehmen was gerade in dem Moment um einen ist: die Brise, das Sonnenlicht, die Pflanzen und die Fülle der Natur, Vogelgezwitscher. Wahrnehmen und genießen was alles gut ist. Und versprochen, da ist immer irgendetwas was gut ist. Sei es nur die warme Dusche bewusst auf der Haut zu spüren oder dass man den Parkplatz direkt vorm Büro bekommen hat.
Es geht nicht darum jeden Tag so zu leben als wäre es Dein letzter und Bäume auszureißen oder einzupflanzen und noch schnell auf Haiti surfen zu gehen, sondern darum jeden Tag so zu leben, mit dem Bewusstsein, dass das Leben endlich ist und die verbleibende Zeit aufmerksam zu genießen.
Und wenn der Tod dann doch nicht kommt und sich verspätet, so hat man zumindest einen Tag dazu gewonnen. In vielerlei Hinsicht.
mit Vergnügen, Eure Barbara
PS: Möchtest Du mit mir über Deine dereinstige Bestattung oder eine Vorsorge sprechen, melde Dich gerne jederzeit bei mir.